Die Autorin über sich selbst und die Autobahn A5...

Seit ich denken kann, erzähle ich mir selbst Geschichten über Gott, die Welt und meine Mitmenschen. Dabei spiele ich mit dem, was ist, und was sein könnte. Mit meinen Wünschen und Wirklichkeiten. Ich warne davor, irgendetwas von dem ernst zu nehmen, was ich zu Papier bringe. Noch nicht einmal die Orthographie. Das gleiche gilt für das, was ich sage – alles ist ein Spiel mit den Realitäten – jedenfalls dann, wenn ich Constanze Keidel bin. Rechnen Sie damit, dass Sie belogen werden. Nichts von dem, was Constanze erzählt, ist real. Und doch ist alles wahr. Das gilt ganz besonders für den Roman „Sturmgründe“, mit dem ich zum ersten Mal mein Spiel in der Öffentlichkeit spiele.
Als reale Person wurde ich 1973 irgendwo in Hessen in der Nähe der A5 geboren. Überhaupt ist die A5 eine Konstante in meinem Leben. Vielleicht hätte ich mich Constanze A5 Keidel nennen sollen. So ist die Bezeichnung der Autobahnabfahrt bekannter als der Name meines Geburtsortes, denn auf der Autobahn ist ständig Stau. Eventuell liegt das an der sehenswerten Landschaft oder dem Galgen, der diese Landschaft ziert. Allen gaffenden Autofahrern sei gesagt, dass wir diesen Galgen in der Regel nicht mehr benutzen.
Auch der Rest dessen, was es biographisch zu sagen gibt, hat sich im Umfeld der Autobahn ereignet. Die Schule, in der ich Abitur gemacht habe, liegt an selbiger. Ich erinnere mich sehr genau an die Klausuren, die ich mit Blick auf die Autobahn geschrieben habe. Vor allem in Mathematik habe ich mehr Zeit mit dem Zählen von LKWs verbracht als mit der Bearbeitung der Aufgaben.  
Die A5 verbindet meine Heimat mit dem Ort, an dem ich (durchaus „mit heißem Bemühn“) Germanistik und (nicht „leider“) auch Theologie studiert habe. Selbst von meinem gegenwärtigen Arbeitsplatz aus habe ich wieder die Möglichkeit LKWs zu zählen. 
Vielleicht ist es an der Zeit, die A5 literarisch zu verarbeiten. Denkbar wäre dies im dritten Teil der Altenstein-Reihe, der gerade in der Entstehung ist. Im zweiten Teil – Constanze Keidel hat ihn, dem Prinzip des Kitsches folgend, „Nachtwege“ genannt – war kein Bedarf an Autobahnen. In „Sturmgründe“ kommt die Protagonistin des Romanteils über die Autobahn nach Altenstein. Sollte es zu einer Neuauflage des Buches kommen, könnte ich nicht nur einige der orthographischen Lügen richtigstellen, sondern auch der A5 ein Denkmal setzen. Wir werden sehen. Alles ist ein Spiel.